Samstag, 3. Dezember 2011

Eine kleine Geschichte

Beim Stöbern nach einem Rezept in meinem Computer bin ich über diese Geschichte gestolpert, die ich vor ein paar Jahren mal schreiben musste.
Das Thema lautete "Mein außergewöhnlichstes Fanerlebnis". Die Länge des Aufsatzes war festgelegt. Die Zielgruppe waren junge Anime-Fans.
Ich dachte, vielleicht hat ja jemand Spaß beim Lesen.
Ach ja, ich möchte darauf hinweisen, dass es sich um reine Fiktion handelt, auch wenn einige Elemente der Geschichte auf Erfahrungen beruhen.^^
Nun denn, viel Spaß!


Die Japanreise

Im März letzten Jahres war es endlich soweit. Die lang ersehnte Japanreise stand endlich bevor. Ich war furchtbar aufgeregt. Einen ganzen Monat sollte ich bei der Familie meiner Brieffreundin Makiko untergebracht sein.
Makiko und ich hatten schon seit über einem Jahr Briefverkehr. Wir liebten beide Manga und Anime und schwärmten beide für den gleichen japanischen Sänger Shinji.
Der Koffer war gepackt, der Flughafen erreicht und die Eltern verabschiedet – und ehe ich mich versah, saß ich im Flieger gen Tokyo.

JAPAN! Endlich hatte ich das Land meiner Träume erreicht. Makiko und ihre Eltern erwarteten mich bereits am Flughafen Narita, von wo es mit dem Auto zu den Miuras nach Hause ging. Linksverkehr, japanische Schriftzeichen und Japaner, wohin man auch blickte. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Mein Herz raste wie wild und ich rief immerzu: „Sugoi! Wahnsinn!“

Makikos Zimmer war total „kawaii“. Die Tagesdecke auf ihrem Bett hatte das gleiche Erdbeermuster wie die Gardinen. Die Regale waren voll mit Manga und Artbooks. Anime- und Shinji-Poster an den Wänden sowie etliche süße Plüschtiere und andere typische japanische Kleinigkeiten rundeten das Bild ab. Ich wusste, wenn ich wieder in Deutschland bin, wollte ich mir mein Zimmer auch so einrichten. Na ja, ein Erdbeermuster musste es nicht gerade sein, aber vielleicht ganz viele Hello Kitty!-Sachen.

Nach ein paar Tagen Sightseeing mit der Familie begaben Makiko und ich uns auf Shoppingtour. Es war der reinste Wahnsinn. Dort gab es nicht nur eine Etage voll mit Manga,  nein, die hatten da gleich mehrere Etagen voll. Es handelte sich um einen Secondhand-Shop. Die Bücher waren jedoch so gut wie neu und so etwas von billig. Einen Manga gab es dort schon ab umgerechnet einen Euro! Nachdem ich mehrere Artbooks, Fotobildbände von meinem Idol und Anime-DVDs erstanden hatte, war der erste Einkaufstag auch schon vorbei. Draußen dämmerte es bereits und in Anbetracht meines schweren Gepäcks begaben wir uns auf den Heimweg. Zum Glück war die Rushhour schon vorbei, so dass wir ohne in der Bahn zerquetscht zu werden, müde aber glücklich bei Makiko zu Hause ankamen. Doch Makiko versprach mir, dass das erst der Anfang gewesen sei.

Die nächsten Tage vergingen wie im Fluge. Makiko zeigte mir alle möglichen Fachgeschäfte, in denen es nicht nur Anime und Manga, sondern auch jede Menge Merchandising zu kaufen gab – angefangen von Postern über Stifte, Becher, T-Shirts, Regenschirme usw. Ich überlegte lange, ob ich mir diesen gelben Helm von Ritsuko Kübel Kettenkrad holen soll. Aber er war mir dann doch zu sperrig.
Nachdem wir Kittyland, Snoopytown und den Ghibliladen unsicher gemacht hatten und mein großer Totoro sicher auf Makikos Bett saß, nahmen mich die Miuras mit in eine Karaoke-Bar. Eigentlich war es ja keine Bar, sondern ein kleiner Raum mit einer Couch, einem Tisch, einem Monitor und zwei Mikros. Dort waren wir ganz unter uns und konnten so ungeniert unsere Lieblingslieder zum Besten geben, die ich zum Glück alle auswendig konnte. Makikos Eltern staunten, wie gut ich plötzlich japanisch konnte. Hehe. Da hat sich das Üben daheim in Deutschland gelohnt.
Ein besonderes Erlebnis war auch noch der Besuch bei Makikos Kusine Midori. Midori war schon 20 und hatte schon ihre eigene Wohnung.
Wir klingelten. Makiko hatte mich schon vorgewarnt, dass Midori ein echter Otaku wäre. Ich war gespannt, hielt ich mich selbst doch auch für einen Otaku. Doch meine Spannung wich blankem Entsetzen, als Midori uns die Tür öffnete und uns hereinbat. Im Eingang türmten sich die Schuhe wild aufeinander. In der Küchenzeile stapelte sich das schmutzige Geschirr und in der einen Ecke sah man Unterhosen und Strümpfe auf dem Boden. Wir kämpften uns durch das Chaos. Einmal bin ich auf irgendetwas getreten, vielleicht war es ein Schwamm?
In ihrem Zimmer stapelten sich Anime-Zeitschriften, Dojinshis, Fanarts und ähnliches.
Die Regale waren vollgestellt mit LDs, DVDs, CDs, Manga und Modelkits. Die Playstation lag auf dem Boden, der Videorecorder ratterte und gerade fing das Faxgerät an zu Piepen.
Midori entschuldigte sich bei uns für das Chaos, wobei es sie aber scheinbar nicht störte, und meinte, ihre Gruppe sei gerade voll mit den Vorbereitungen für ein neues Dojinshi beschäftigt, dass sie bei der nächsten Comiket vorstellen wollten.
Wir schauten den ganzen Tag Anime. Und ich muss gestehen, die Unordnung um mich herum habe ich dabei völlig vergessen.

Bald hieß es Abschiednehmen und ich fing bereits an, die ersten Pakete zu packen. Ich konnte mir gar nicht mehr vorstellen, woanders als in Japan zu leben. Nun ja, meine Eltern und meine Freunde vermisste ich schon.
Aber warum grinste Makiko die ganze Zeit schon so blöde. Ob sie sich schon darauf freute, ihr Zimmer wieder für sich alleine zu haben? Doch ich lag total daneben.

Am nächsten Morgen bestand sie darauf, dass ich mich richtig schick stylen solle. Als zwei peppige Shibuya-Girls verließen wir das Haus und fuhren zum Hibiya-Park.
Ich wusste immer noch nicht, was los war. Umso näher wir dem Park kamen, umso mehr Mädchen strömten hinzu. Eine sah schicker aus als die andere.
Und plötzlich sah ich es. Ein riesengroßes Plakat hing über einer Bühne. Ich erkannte sein Bild sofort: Shinji! „Makiko! Nun sag schon. Was ist hier los?“
Makiko grinste und erklärte mir, dass heute Shinji hierher käme, um seinen Fans die Hände zu schütteln. Ich stand da, den Mund weit offen und sah in dem Moment bestimmt absolut dämlich aus. Ich sollte wirklich Shinji, den populären Sänger zu sehen bekommen?
Wir setzten uns auf die Steintreppen und warteten.
Nach drei (!!!) Stunden Wartezeit gab es Leben auf der Bühne. Die Mädchen fingen an zu kreischen, ich fing an zu kreischen. Wen interessierten schon die Worte des Moderators?
Und da kam er. Cool wie immer, super gut aussehend wie immer. Der echte Shinji!

Es kam Bewegung in die Menge. Während sein neuester Song vom Band lief, stellten sich die Leute mit japanischer Disziplin ordentlich in einer Reihe auf. Langsam bewegte sich die Schlange vorwärts. Schon konnte ich Shinji deutlich sehen. Makiko, die vor mir war, schien ebenso aufgeregt zu sein wie ich. Auch das noch, dachte ich. Meine Hände waren vor lauter Nervosität feucht geworden. Ich kann ihm doch nicht mit diesen verschwitzten Händen entgegen treten? Keine Zeit mehr nachzudenken. Da war er. Ich reichte ihm meine Hand, die er mit beiden Händen entgegen nahm. Sein wunderbares Lächeln raubte mir den Verstand. Ich stammelte das einzige japanische Wort, das mir da noch einfiel: „Daisuki!“ und wurde schlagartig knallrot im Gesicht. War das peinlich. Doch schon wurde ich weiter geschoben. Ich sah Makiko an. Wir sprachen lange kein Wort mehr. Doch nach zehn Minuten sprudelte es nur so aus uns heraus. Wie toll er doch sei. Und überhaupt.

Ich weinte sehr, als wir uns am Flughafen umarmten. „Mata ne!“, sagte Makiko. Ich nickte nur.
„Mata ne!“, „Bis Bald!“
Ich komme bestimmt wieder.

6 Kommentare:

  1. Cori hat mir die Worte aus dem Mund genommen, eine wirklich schöne Geschichte. ^.^

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  2. eine sehr schöne geschichte! ;)
    bei manchen bezeichnungen bin ich ins grübeln gekommen, wahrscheinlich weil ich mich doch nicht so gut mit anime und manga auskenne^^

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  3. Gott seid ihr beiden Süüüüüüß gewesen! Ich hätte euch ja knuddeln müssen^^

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  4. Wusstest du, dass der erste japanische gefangene im pazifikkrieg (pearl harbor) Kazuo hieß?
    hier kommt grad ne doku und da fiel der name und ich musste sofort an dich und tobi denken^^

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